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Seit wann kocht der Mensch Fisch? Fischgericht nach Steinzeit-Art

Quelle: Pressemitteilung Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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Es ist der früheste Hinweis auf das Garen von Nahrungsmitteln: Fischzähne in einer archäologischen Fundstelle in Israel zeigen, dass schon lange vor dem Homo Sapiens Fisch gekocht wurde. Doch wie beweisen fossile Zähne einen prähistorischen Kochvorgang?

Illustration von Hominiden, die am Ufer des ehemaligen Sees Hula Luciobarbus longiceps, einen großen Karpfenfisch der Familie Cyprinidae, erbeuten und kochen
Illustration von Hominiden, die am Ufer des ehemaligen Sees Hula Luciobarbus longiceps, einen großen Karpfenfisch der Familie Cyprinidae, erbeuten und kochen
(Bild: Ella Maru / Universität Tel Aviv)

Für den evolutionären Erfolg der menschlichen Spezies hat die Ernährung und die Zubereitung von Nahrung eine zentrale Rolle gespielt. Besonders dem Garen oder Kochen wird für die Entwicklung der Gattung Homo eine große Bedeutung zugeschrieben. Dennoch war bislang unklar, wann genau unsere Vorfahren damit begonnen haben, Nahrungsmittel gezielt zu kochen oder zu garen. Ein internationales Forschungsteam ist der Frage nun anhand von Fossilien der Fundstätte Gesher Benot Ya'aqov im nördlichen Israel nachgegangen.

Das Team zeigte mittels chemischer und mineralogischer Parameter von Fischzähnen, dass die frühen Menschen bereits vor rund 780.000 Jahren am prähistorischen Hula-See Fisch gefangen und vor Ort gegart haben. „Es ist der früheste Nachweis, dass unsere Vorfahren ihre Nahrung auf eine gewisse Art und Weise gekocht haben“, sagt Dr. Irit Zohar vom Steinhardt Museum of Natural History der Tel Aviv University, Leiterin der Studie. Bisher war diese Praxis nur vom frühen Homo sapiens und von Neandertalern bekannt. Um diese Aussage zu treffen, sammelten die Wissenschaftler mehrere Hinweise und kombinierten sie zu einem schlüssigen Gesamtbild.

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Hinweis 1: Feuer war verfügbar

Auch wenn schon viel über die Ernährung von Jägern und Sammlern in der frühen Altsteinzeit bekannt ist, wissen wir nur wenig über den Beitrag von Fisch in der Nahrung unserer Vorfahren. Die Gruppe um die israelische Archäozoologin Zohar hat die Veränderungen in der Kristallstruktur von Rachenzähnen großer Süßwasserbarben untersucht, die bei Gesher Benot Ya'aqov im nördlichen Jordantal gefunden wurden. Die archäologische Fundstätte liegt im Uferbereich eines ehemaligen Feuchtgebiets am damaligen Hula-See. Hier haben Ausgrabungen seit den späten 1980er-Jahren zahlreiche Hinweise auf menschliche Besiedlung und Beweise für den kontrollierten Einsatz von Feuer bereits vor 780.000 Jahren zutage gefördert. Eine Hitzequelle zum Kochen wäre also zu der Zeit vorhanden gewesen.

Die klaren Anzeichen von Feuerstellen deuten den Forschern zufolge darauf hin, dass frühe Hominiden während der frühen Altsteinzeit das Feuer beherrschten. „Möglicherweise handelte es sich bei den frühen Jägern und Sammlern sowie Fischern um Vertreter der Gattung Homo erectus“, sagt Archäologieprofessorin Dr. Naama Goren-Inbar von der Hebrew University of Jerusalem. „Allerdings wurden bisher keine Skelettreste von Hominiden gefunden, dafür aber zahlreiche Steinwerkzeuge, darunter auch Handbeile.“

Feuersteinartefakte

Die Beweise für den kontrollierten Einsatz von Feuer hatte in einer früheren Arbeit die Archäologin Prof. Nira Alperson-Afil von der isrealischen Bar-Ilan University identifiziert. Dazu hatten sie und ihr Team verbrannte Feuersteinartefakte in verschiedenen archäologischen Schichten ausfindig gemacht.

Hinweis 2: auffällige Fischfunde

Unter den Funden aus Gesher Benot Ya'aqov ragen zwei Besonderheiten hervor: In acht aufeinanderfolgenden archäologischen Schichten, in denen Archäologen zuvor schon Beweise für den kontrollierten Einsatz von Feuer identifiziert hatten, stellten Zohar und ihr Team fest, dass die große Zahl der geborgenen Fischreste – über 40.000 – eine extrem geringe Vielfalt an Fischarten aufwies. Dabei handelte es sich hauptsächlich um zwei Arten von großen Barben, von denen einige eine Länge von über einem Meter erreicht haben könnten. Darunter befanden sich die im Hula-See heimischen Barben Luciobarbus longiceps und Carasobarbus canis.

Außerdem bemerkten Zohar und ihre Kollegin Dr. Marion Prévost, dass in diesen Schichten so gut wie keine Fischknochen gefunden wurden. Dies steht in scharfem Kontrast zu der großen Menge an gefundenen Fischzähnen – und dies, obwohl andere Knochen von Landtieren durchaus vorhanden waren.

Hinweis 3: Das Plausibilitäts-Experiment

„Wir haben uns im Wesentlichen auf drei Punkte konzentriert, um herauszufinden, ob unsere Vorfahren vor etwa 780.000 Jahren ihren Fisch gekocht haben“, erklärt Zohar. Als ersten Punkt führte das Forschungsteam ein Experiment durch, um zu untersuchen, wie sich Kochen und noch stärkere Erhitzung auf heutzutage gefischte Barben auswirkt. Dieses Experiment zeigte, dass Fischknochen durch die Koch- und Erhitzungsprozesse weich werden und sich auflösen. Dagegen bleiben die stärker mineralisierten Fischzähne intakt.

Hinweis 4: Zahnschmelz-Analyse deutet auf moderate Hitzeeinwirkung hin

Neben dem Plausibilitäts-Versuch stellten die Wissenschaftler als Punkt zwei fest, dass die Fischzähne vorwiegend in der Nähe der Feuerstellen abgelagert wurden. Und als dritten wichtigen Punkt fanden die Forscher mithilfe einer Röntgenbeugungsmethode kleine Veränderungen der Kristallstruktur im Zahnschmelz. „Die Vergrößerung der Apatitkristalle im Schmelz der Fischzähne deuteten die Forscher als Zeichen, dass die Fische nur moderater Hitze ausgesetzt waren und nicht verbrannt sind.

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Zusatz-Erkenntnis: Fischgerichte das ganze Jahr über

An der kooperierenden Johannes-Gutenberg-Universität (JGU) Mainz wurden zudem speziell jahreszeitliche Aspekte der Fischnutzung untersucht. So gibt das Verhältnis von Sauerstoffisotopen Auskunft darüber, bei welcher Wassertemperatur der Zahnschmelz gebildet wurde. „Weil es auch in Israel saisonale Temperaturwechsel gibt, zeigen uns die Sauerstoffisotopendaten, dass in diesem Fall das ganze Jahr über nach Barben gefischt wurde und nicht nur zu einer bestimmten Saison“, erklärt Prof. Dr. Thomas Tütken von der JGU. Süßwasserfisch als ganzjährig verfügbare, hochwertige Nahrungsquelle trug zum Lebensunterhalt der frühen Hominiden bei.

Fazit: Gekochter Fisch als wertvolle Nahrungsquelle der Frühmenschen

„Wenn wir alle diese Parameter zusammenfügen und außerdem berücksichtigen, welchen hohen Nährwert die beiden Barben-Arten haben, ergibt sich für uns ein neues und faszinierendes Bild der Hominiden von Gesher Benot Ya'aqov, die ihren Fisch vor dem Verzehr gegart haben“, fasst Zohar zusammen. „Fisch kann zwar auch roh gegessen werden, aber gekochter Fisch enthält mehr Protein, ist gesundheitlich unbedenklich und einfacher zu verdauen. Außerdem bleiben im Gegensatz zum Grillen beim Dampfgaren oder Backen die wichtigen Omega-3-Fettsäueren DHA und EPA erhalten.“

Bislang wurde zwar bereits angenommen, dass frühe Hominiden, die Feuer benutzten, auch ihre Nahrung kochten. „Doch endgültige Beweise für diese Praxis wurden bisher nur für den frühen Homo sapiens und den Neandertaler in Verbindung mit pflanzlichem Material erbracht – mit dem frühesten Datum vor 170.000 Jahren“, schreiben die Autoren in ihrer Veröffentlichung. Die neue Studie liefert nun den frühesten und ersten Beleg, dass Hominiden bereits vor 780.000 Jahren Fisch gegart haben. Doch eines ist weiterhin ungeklärt: Die Frage der Kochmethode bleibt ein Rätsel. Sowohl an dem untersuchten Fundort noch an anderer Stelle aus dieser Zeit sind keine Spuren von Kochgeräten erhalten. Eine Möglichkeit sei, so die Vermutungen, dass eine Art von Erdofen verwendet wurde, der eine Temperatur unter 500 Grad Celsius lieferte, wie sie für das Garen notwendig ist.

Originalpublikation: I. Zohar et al.: Evidence for the cooking of fish 780,000 years ago at Gesher Benot Ya'aqov, Israel, Nature Ecology & Evolution, 14. November 2022: DOI: 10.1038/s41559-022-01910-z

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