English China

Biochemie des Körpers Überraschend autonom: Wie einzelne Zellen sich entscheiden

Quelle: Pressemitteilung Universität Zürich

Anbieter zum Thema

Nicht nur graue Zellen sind schlaue Zellen – Forscher der Universität Zürich haben gezeigt, dass einzelne Zellen quasi autonome Entscheidungen treffen können. Dafür verwerten sie Signale von außen sowie Informationen aus dem Zellinneren. Das Verständnis dieser Entscheidungsfindung kann auch helfen, bessere Therapien z. B. gegen Krebs zu entwickeln.

Teilen oder nicht? Einzelne Zellen treffen ihre Entscheidungen viel autonomer als bisher angenommen.
Teilen oder nicht? Einzelne Zellen treffen ihre Entscheidungen viel autonomer als bisher angenommen.
(Bild: solvod - stock.adobe.com)

Zürich/Schweiz – Jeder Mensch trifft ständig Entscheidungen. Dafür braucht es zahlreiche Informationen, die unsere Sinne liefern. Sie nehmen einzelne Aspekte der Umwelt wahr, etwa visuelle und akustische Informationen, die unser Gehirn anschließend in eine ganzheitliche Wahrnehmung integriert. Dies wird als multisensorische Wahrnehmung bezeichnet, oder auch multimodale Wahrnehmung.

Einzelne Zellen unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht vom Menschen: Sie treffen ständig wichtige Entscheidungen, etwa ob sie sich teilen oder nicht. Forscher der Universität Zürich (UZH) haben deshalb das Konzept der kontextuellen, multimodalen Wahrnehmung des Menschen auf einzelne Zellen übertragen. Sie fanden heraus, dass einzelne Zellen Entscheidungen viel autonomer treffen als bisher angenommen. „Eine adäquate Entscheidungsfindung einzelner Zellen beruht auf einer multimodalen Wahrnehmung. Sie ermöglicht es den Zellen, Signale von außen mit Informationen aus dem Zellinneren zu integrieren, z. B. externe Wachstumsfaktoren mit der Anzahl bestimmter Zellorganellen“, sagt Lucas Pelkmans, Professor am Institut für Molekulare Biologie der UZH.

In bestimmten Situationen können solche inneren Hinweise die äußeren Reize überlagern: etwa bei Tumoren, wo der aktuelle Zustand bestimmter Zellen die Behandlung mit wachstumshemmenden Medikamenten überlagert und sie so behandlungsresistent macht. „Solche Resistenzen gegen Medikamente sind ein großes Problem im Kampf gegen den Krebs. Eine mögliche Lösung wäre, die kontextuellen Hinweise, die einzelne Zellen erfahren, zu berücksichtigen und letztlich zu verändern“, sagt Pelkmans.

Gleichzeitige Analyse von Millionen Zellen

Um zu testen, ob Zellen so wie Menschen nach multimodaler Wahrnehmung der jeweiligen Situation entscheiden, mussten die Forscher gleichzeitig die Aktivität mehrerer äußerer Sensoren sowie etliche potenzielle Inputs aus dem Inneren der Zelle messen – etwa die lokale Umgebung und die Anzahl der Zellorganellen. All dies musste parallel sowohl in einzelnen Zellen als auch in Millionen von Zellen analysiert werden. „Wir haben dazu die an der UZH entwickelte Methode ‚4i‘ verwendet. Sie erlaubt es, bis zu 80 verschiedene Proteine und Eiweißmodifikationen in einzelnen Zellen mittels Fluoreszenzmikroskopie gleichzeitig sichtbar zu machen und zu quantifizieren“, sagt Bernhard Kramer, Erstautor der Studie.

Die Forscher fanden heraus, dass in den einzelnen Zellen die unterschiedlichen Aktivitäten einzelner Außensensoren eng mit der Variation interner Signale verbunden ist. So beeinflusst beispielsweise die Anzahl der Mitochondrien – die Kraftwerke der Zellen – grundlegend, wie ein äußerer Reiz von einer Zelle wahrgenommen wird. Außerdem integriert jeder Sensor unterschiedliche Signale aus dem Zellinneren.

Entscheidungsfindung auf Zellebene bestätigt

Die Wissenschaftler untersuchten anschließend eine wichtige Entscheidung einer einzelnen Zelle: Soll sie sich auf einen Wachstumsreiz hin vermehren oder ruhend bleiben? Sie stellten fest, dass die Entscheidung der Zelle davon abhängt, was sie von mehreren Sensoren wahrnimmt. Und diese Wahrnehmung kann durch Signale vom inneren Zellzustand vorhersehbar beeinflusst werden.

„Für jede spezifische Entscheidung einer Zelle müssen alle äußeren Signale und internen Hinweise zusammen betrachtet werden“, sagt Doktorand Kramer. „Einzelne Zellen sind also in der Lage, adäquate kontextabhängige Entscheidungen zu treffen – und sind somit deutlich intelligenter als bisher angenommen.“

Originalpubliaktion: Bernhard A. Kramer, Jacobo S. Del Castillo, Lucas Pelkmans. Multimodal perception links cellular state to decision making in single cells, Science. July 14, 2022. DOI: 10.1126/science.abf4062

(ID:48531453)

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung